Zu Robert Hamerlings Blütezeit war der Antisemitismus bereits salonfähig geworden. Wie sich zeigen wird, war der Waldviertler Poet mit seinem „Homunculus“ 1887/88 nicht nur ein Kind seiner Zeit, sondern in gewissem Sinne sogar ein Kollaborateur, ein „Mitspieler“, der aus dem unseligen Geist der deutschnationalen Bewegung und deren Auswüchsen heraus die traurige Geschichte des Judentums im 20. Jahrhundert mitzuverantworten hatte. Immerhin ist auch im Waldviertel durchgesickert, dass er deshalb nach seinem Tod von Georg Ritter von Schönerer und seinen Schergen „vereinnahmt“, „ausgebeutet“ oder „missbraucht“ wurde. Inwiefern der Vorwurf des Antisemitismus aber auf ihn selber zutrifft, war im Waldviertel offiziell nie ein Thema. Die Anschuldigung, dass der „Dichterfürst der Waldmark“, der hier in nahezu jedem größeren Ort ein Denkmal hat oder mit einer Straßenbezeichnung gewürdigt wird, auch „Geburtshelfer“ für die Verbrechen im  Holocaust war, gilt es daher zu analysieren und zu beweisen. Dies ist Aufgabe des Buches. Es möge dazu beitragen, die unreflektierte Bewunderung für den Dichterfürsten zumindest etwas zu relativieren, obzwar ihm sein Talent als genialer Poet in keiner Weise abgesprochen werden soll. Dieses ist unbestritten, wenngleich sein romantisierender Stil nicht mehr zeitgemäß ist, da sein „deutschtümelndes“ Vokabular aus heutiger Perspektive eher abstößt und beim Leser eine hervorragende Kenntnis der Antike voraussetzt, was in unserer Zeit kaum mehr der Fall ist. Dennoch zählte er zu seinen Lebzeiten immerhin zu den meistgelesenen Dichtern im deutschsprachigen Raum. Ich bin mir also durchaus bewusst, dass ich mit diesem Buch ein Sakrileg begehe, indem ich den Mythos „Robert Hamerling“ ins Zwielicht rücke.