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Buchpräsentation “Geburtstagsgrüße für Ottenschlag”
25 Oktober 2018, Beginn: 19:00
Veranstaltungsraum im Schloss Ottenschlag

Ilse Krumpöck liest aus ihrem neuen Buch “Geburtstagsgrüße für Ottenschlag”. Auch der Zeitzeuge Oberschulrat Paul Lenauer wird anwesend sein.

 

VORWORT

Ist es vermessen, am Beispiel einer Waldviertler Gemeinde die Essenz von Hitlers wahnwitziger Ideologie, deren Umsetzung er bereits in seiner Programmschrift „Mein Kampf“ voraus gesagt hat, herausfiltern zu wollen? Oder anders gefragt: Kann man den Zweiten Weltkrieg veranschaulichen, obwohl dieser Ort größtenteils von den Kriegsgräueln verschont geblieben ist? In diesem Buch soll zumindest der Versuch gewagt werden. Ottenschlag ist keine Metropole, die Geschichte geschrieben hat, trotzdem lässt sich am Mikrokosmos der Gemeinde vieles nachvollziehen, was auch außerhalb der kleinen Zelle den Weg in die Geschichtsbücher gefunden hat. Seien es die Jubelstürme in den ersten Tagen nach dem „Anschluss“ an Hitlerdeutschland, die Verfolgung der Anhänger von Vaterländischer Front und Katholischer Kirche, der Antisemitismus eines historisch tradierten Judenhasses, der Aufstieg der nationalsozialistischen Machthaber oder der als „Sterbehilfe“ getarnte Mord an Behinderten: Dies alles lässt sich auch in Ottenschlag nachweisen, obwohl viele Belege dieser dunklen Zeit vor der russischen Besatzungsmacht vernichtet und Erinnerungen lange tot geschwiegen wurden. Die ungezügelten Expansionsbestrebungen Hitlers werden durch die Grenznähe zum überfallsartig vereinnahmten Sudetenland veranschaulicht, die einzelnen Kriegsschauplätze anhand der Gefallenenschicksale und damit auch die jeweiligen Fronten, die Ottenschlags Vermisstenliste bedingten, dokumentiert. Sie markieren einprägsamer als jede Landkarte die maßlosen Machtansprüche des Despoten. Hilflose Versuche einiger weniger, Widerstand zu leisten oder sporadische Bemühungen vereinzelter Wehrmachtsangehöriger, zu desertieren, vermitteln neben der Loyalität der zahlenmäßig überwiegenden Parteisympathisanten die ambivalente Einstellung der Bewohner zum Nationalsozialismus. Auch die unterschiedliche Behandlung von Kriegsgefangenen, die sich einerseits durch Versklavung bemerkbar machte, vereinzelt aber auch von Mitleid durchdrungen war, zeigt die Zwiespältigkeit der Charaktere. All’ dies lässt sich anhand von Beispielen bis hin zum sadistischen Todesmarsch vermeintlicher „Juden“ durch den Ort belegen, bei denen es sich um Häftlinge eines Arbeitserziehungslagers handelte. Sogar ein Bombardement zu Hitlers letztem Geburtstag fand in Ottenschlag statt, bei dem ein Großteil des Ortes in Flammen aufging. Da sich kurz vor Kriegsende auch der Gauleiter von Niederdonau, Dr. Hugo Jury, im nahen Zwettl versteckte, ehe er sich selbst richtete, und der Reichsverteidigungskommissar Baldur von Schirach zunächst in die Einsamkeit des unweit von Ottenschlag gelegenen Altmelon flüchtete, wird offenkundig, dass die letzten Zuckungen des Zweiten Weltkriegs hier im südlichen Waldviertel stattfanden. Nicht umsonst wurde in dieser Gegend in den letzten Apriltagen vor dem Ende des Desasters noch Quartier für zwei Divisionen der Deutschen Wehrmacht gesucht, weil man damit rechnete, dass sich die Front hierher verlagern würde, was dann durch die Kapitulation hinfällig wurde. In und um Ottenschlag bäumte sich auch die SS letztmalig zu Willkürakten auf, während die Amerikaner und die Russen bereits auf der imaginären Türschwelle standen. Selbst ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher, der nach der Besatzungszeit in prominenter Funktion Karriere machte, ohne je zur Verantwortung gezogen zu werden, bleibt posthum dank eines zeitgenössischen Waldviertler Tagebuchschreibers nicht anonym. Die kriminelle Vergangenheit des Sadisten wird zudem durch die in den 1970er Jahren schriftlich festgehaltenen Erinnerungen eines betagten Zeitzeugen untermauert. Die Biografie des längst verstorbenen Übeltäters mag daher symptomatisch sein für viele, die sich geschickt der gerechten Strafe entziehen konnten. Uns Nachgeborenen, die wir die „Gnade der späten Geburt“ hatten, steht ohnehin kein Urteil zu.

Sämtliche Opfer werden hier mit Namen genannt, sofern dieser bekannt ist. Sei es, weil sie tot sind, wie die Gefallenen, die in Feindesland umkamen, sei es, weil sie verschollen blieben wie die Vermissten, mit deren Ableben man sich abfand oder die man für tot erklären ließ. Sie haben es verdient, nicht nur als nüchterner Schriftzug auf einem Kriegerdenkmal aufzuscheinen, sondern hier noch einmal als Individuen berücksichtigt zu werden. Auch wenn von ihnen nichts mehr in Erfahrung gebracht werden kann, werden sie namentlich gewürdigt, da sie nicht zur Fußnote degradiert werden sollten, auch wenn dadurch stilistisch im Text eine gewisse Monotonie in Kauf genommen werden muss. Einige Leidtragende des Nationalsozialismus in der Zivilbevölkerung bekommen in diesem Buch ebenfalls ein Gesicht. Doch auch die Täter werden namentlich an den Pranger gestellt, wie etwa die willfährigen Funktionäre dieses Verbrecherregimes, sofern sie in der Nachkriegszeit vor Gericht Rede und Antwort stehen mussten. Jene aber, die im Schatten der Anonymität ihre Taten verschleiern konnten oder als Mitläufer mit ihrem unheilvollen Erbe dafür sorgten, dass Hitlers Gedankengut an den Waldviertler Stammtischen fallweise immer noch auflebt, mögen einst von ihrem Höchstrichter zur Rechenschaft gezogen werden.

In diesem Dokumentarroman, durch den sich wie ein roter Faden  eine fiktive Handlung zieht, kommen neben den Katastralgemeinden von Ottenschlag auch kleinere Ortschaften der Marktgemeinde vor, die 1938 alle der Pfarre St. Jakob angehörten. Auswirkungen des Kriegsgeschehens, die die Nachbarorte betreffen [1] oder Parallelen im Schicksal anderer Waldviertler Gemeinden, runden das Bild ab.

Selbst wenn der Raum Ottenschlag von den kriegerischen Auseinandersetzungen nur am Rande tangiert wurde, wird eindeutig ersichtlich, dass dieser abgelegene Landstrich im ehemaligen „Ahnengau des Führers“ nicht zuletzt wegen der lange währenden Begeisterung der Bewohner für ihren größenwahnsinnigen Spross, primär jedoch wegen des Verlustes einer ganzen Generation an männlichen Hoffnungsträgern bis heute unter dem grausamen „Kampf“ ihres prominenten Abkömmlings zu leiden hat.

Zum Schluss sei allen gedankt, die die Recherchen zu diesem Buch unterstützt haben. Es sei mir verziehen, wenn ich hier nicht alle namentlich erwähne. Mein besonderer Dank gilt jedoch meinem Mitautor, dem Zeitzeugen, Hauptschuldirektor und Bürgermeister a. D. Paul Lenauer (*1928), ohne den dieses Buch niemals zustande gekommen wäre.

 

[1] Sallingberg, Lugendorf, Kirchschlag, Kottes-Purk, (Bad) Traunstein, Martinsberg und Gutenbrunn.

Am 15. Oktober 2017, 17 Uhr:
Titel: “Wehret den Anfängen”: Lesung aus dem noch unveröffentlichten Dokumentarroman “Der Pinkeltrager von Schaffa“, in dem es primär um den Antisemitismus des 19. Jahrhunderts und die Waldviertler Zündstofflieferanten für die Verbrennungsöfen des Holocaust geht, im Rathaussaal von Weitra, die von Sohn Florian Krumpöck mit Werken vertriebener jüdischer Künstler am Klavier umrahmt wird.

Stadtgemeinde Weitra
Rathausplatz 1
3970 Weitra


Am 10. März 2017:

Lesung  im Zuge eines Projekts mit zahlreichen anderen Schriftstellern  aus “Werwölfe im Waldviertel. Das Jahr 1945 im Granithochland” anlässlich der Langen Nacht im Amerlinghaus.

Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus
Stiftgasse 8
1070 Wien

Dass der malerische Ort Gutenbrunn im südwestlichen Waldviertel einst den Hauch herrschaftlichen Flairs spüren sollte, geht nicht zuletzt auf den weltweit bekannten Glaskünstler Johann Joseph Mildner (1765 – 1808) zurück, dessen Sternstunden untrennbar mit dem Namen seines kunstverständigen Mäzens Joseph Edler von Fürnberg (1742 – 1799) verbunden waren. Wie in einem Koordinatensystem, in dem …

65944d7929VIELOSOVIEH. 50 Reime für erwachsene Kinder
Verlag Berger, neu erschienen.

Der vorliegende Fortsetzungsband zu Pfeif drauf!!! wurde ebenfalls für Florian Krumpöck, den Sohn der Autorin, verfasst, der nun in Kopenhagen und Liechtenstein am Dirigentenpult steht und die Intendanz des “Kultur.Sommer.Semmering” innehat. Diesmal sind es keine Vogelgedichte, sondern Reime, die sich mit skurrilen Tieren, Fabelwesen und vermenschlichten Kreaturen beschäftigen, wie etwa dem Tausendfüßler im Schuhgeschäft, dem selbstverliebten Regenwurm, der großen Koalition zwischen Wildsau und Trüffelschwein oder dem Trampeltier im Tanzkurs. Dazu passend schufen wiederum Julius Lagler und sein Team – die mittlerweile 8jährige Eloise und der 10jährige Marius – farbintensive Illustrationen in Mischtechnik. Der Waldviertler Künstler setzt es sich ja seit vielen Jahren zum Ziel, den Nachwuchs in der bildenden Kunst zu fördern. Der Erlös der Bilder kommt daher erneut der ARGE KUNSTACHTUNG zugute.

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Julius Lagler,
„Die afrikanischen Verwandten….,

 

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….auf Urlaub im Waldviertel“,
Mischtechnik auf Papier, 2014

Der Gedichtband wird dankenswerterweise mit Mitteln des Landes Niederösterreich publiziert werden.

Am 19. Mai 2015 erscheint zum 70 Jahr-Jubiläum des Kriegsendes:
Werwölfe im Waldviertel? Das Jahr 1945 im Granithochland,
Sachbuch, Verlag edition innsalz,

 

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„Es ist aus!“
Marktplatz von Arbesbach vor dem Gasthaus Leopold Eichinger
nach der Kapitulation am 8. Mai 1945, Foto aus der Pfarrchronik von Arbesbach,
Franz Wiesinger nach © Unbekannt

Samstag, 19. Mai 1945. Zwei entlassene KZ-Häftlinge aus Mauthausen treiben gegen Abend mit vorgehaltenen Pistolen in Arbesbach im Waldviertler Hochland acht blutjunge Hitlerjungen aus dem „Altreich“ vor sich her. Diese hatten sich die Nacht zuvor auf dem Heuboden des Gasthauses Graf versteckt, ehe sie hinter der Orgel des Gotteshauses Zuflucht gesucht haben. Dort wurden sie soeben aufgestöbert. Zwei einheimische Denunzianten haben sie verraten. Gnadenlos werden sie nun den Hügel zum Gemeindewäldchen hinunter gehetzt. Auf dem Scheibner Kirchensteig bleibt das Erschießungskommando mit den Todgeweihten stehen. Es fallen acht Schüsse. Die Eltern von Walter, Helmut, Ernst und Heinz in Essen, die von Karl-Heinz in Bochum und jene von Klaus in München warten vergeblich auf ihre Söhne. Auch die Angehörigen zweier Unbekannter hoffen vermutlich umsonst auf die Rückkehr ihrer Kinder. Es könnte jedoch sein, dass die vermeintlichen „Werwölfe“ ganz andere Namen trugen, denn mindestens einer von ihnen führte falsche Papiere mit sich. Der, dem sie gehörten, lebt noch und erfreut sich bester Gesundheit.

1938 wurden im Waldviertel 42 Dörfer geräumt und 7000 Menschen vertrieben, um Hitlers Truppenübungsplatz Allentsteig (damals noch „Truppenübungsplatz Döllersheim“) Platz zu machen. Auch dessen Großmutter Anna Maria Schickelgruber und sein Vater Alois stammen von hier.

Bis heute wird Allentsteig nicht nur vom österr. Bundesheer, sondern auch von anderen Heeren der EU genutzt, die auf dem überdimensionierten Gelände von Hitlers Gnaden Krieg spielen – ohne an Restitution zu denken. Vom NS-Regime hatten die Zwangsausgesiedelten damals nur eine äußerst knapp bemessene Entschädigung erhalten.

1957 stellte eine Historikerkommission im Auftrag der Österreichischen Bundesregierung fest, dass „Enteignungen zu militärischen Zwecken keine typisch nationalsozialistische Erwerbsart darstellen und daher auch nicht als Entziehung gewertet werden“. Alle 650 privaten Rückstellungsanträge wurden negativ beantwortet, nur der Stipendienstiftung Windhag und dem Stift Zwettl wurden Ablösen bezahlt und Gebiete restituiert.

„Diese Ungleichbehandlung ist völkerrechtswidrig. Ich möchte mit meinem Buch dazu beitragen, dass die Republik dieses schreiende Unrecht an den Nachfahren wieder gutmacht“ sagt Ilse Krumpöck.

Sehen Sie die Protagonistin des Buches “Das Nordlicht von Döllersheim” Maria Geisberger und die Autorin Ilse Krumpöck auf YOUTUBE in einem Video von edition innsalz.

“A  STAADA  PUNSCH”
Ilse Krumpöck liest aus ihrem Buch Das Nordlicht von Döllersheim
jene Passagen aus dem Leben der Aussiedlerin Maria Geisberger,
die sich auf die Weihnachtszeit 1938 -1948 beziehen.

Musikalische Umrahmung Andreas Jaksch

Ort: Bad Traunstein, Josef Elter- Zentrum
Datum: Samstag, 20. Dezember 2014
Zeit: 19.30 Uhr
Der Eintritt ist frei!

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“DAS NORDLICHT VON DÖLLERSHEIM”

Das Buch basiert auf den Erinnerungen von Maria Geisberger, einer 1927 geborenen „Aussiedlerin“ aus Döllersheim im Waldviertel, die als über 60jährige in Friedersbach bei Zwettl ein Gedächtnisprotokoll zu ihrer Jugend verfasst hat. Ihre alte Heimat musste dem Truppenübungsplatz Adolf Hitlers weichen, den dieser den Bewohnern abgepresst hat. Die Aufzeichnungen der Zeitzeugin sind im vorliegenden Tatsachenroman als „handschriftlicher“Beleg zu erkennen und werden mit historischen Fakten verwoben.

Fein säuberlich trug die heute hoch betagte Frau alles in ein Büchlein ein, was sich in ihrem Umfeld in den Jahren 1938 bis 1948 ereignet hat. Die geistig rege Aussiedlerin begann zu Sylvester 1988, ihre prägenden Jahre Revue passieren zu lassen. Mit einer ebenmäßigen Schrift und zahlreichen eingeklebten Fotos, Zeitungsausschnitten und Sterbebildchen dokumentierte sie akribisch alle Ereignisse in diesem grünen Band, dessen Wertschätzung allein schon wegen seiner kostbar anmutenden Goldprägung auf der Vorderseite zum Tragen kommt. Liebevoll fügte sie Bilder ihrer alten und neuen Heimat ein und mühte sich, eine historisch nachvollziehbare Chronologie der historischen Ereignisse in den Mikrokosmos ihrer bäuerlichen Welt einzubetten.

Die kluge Bauerntochter, die nach der Pflichtschule nie eine weiterbildende Anstalt besucht hat, sondern immer in der Landwirtschaft tätig war, verstand es, mit gewählten Worten und vorbildlicher Rechtschreibung die Vorkommnisse der damaligen Zeit authentisch wiederzugeben. Dies ist umso bemerkenswerter, als sie zu Hause immer Waldviertler Dialekt gesprochen hat und als Mädchen mehrfach von Mai bis Dezember wegen der Heu- und Kornernte der Schule fernbleiben musste.

Vor Jahren einmal las Maria in der ruinösen Friedenskirche von Döllersheim nach einem ökumenischen Gottesdienst aus ihren Aufzeichnungen vor, als die geistliche Prominenz und die weltlichen Honoratioren die 50-Jahrfeier dieses geschichtsträchtigen Ortes begingen. Damit sie nichts vergisst, notierte sie damals die wichtigsten Passagen auf kleine Zettel, die sie heute bei ihren Aufzeichnungen als Erinnerung verwahrt.

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© Katharina Schabauer: Friedenskirche von Döllersheim mit Friedhof heute

 

Ein anderes Mal borgte sie dem niederösterreichischen Landesarchiv ihren einzigartigen Schatz, den sie lange verschämt vor ihren Söhnen versteckt hielt. Nach dem Kopieren der vielen handgeschriebenen Seiten schickte ihr der Archivrat aus St. Pölten einen Dankesbrief. Auch den hält Maria in Ehren. Deswegen klebt das Dokument seither auf der letzten Seite ihrer Notizen.

Verwandte, Freunde und Bekannte aus ihrer Jugend in Döllersheim hat Maria kaum noch, weil ihr die meisten weggestorben sind. Man kann die Überlebenden an einer Hand abzählen. Bis vor kurzem traf sie sich alljährlich noch mit einigen Aussiedlern. Am Allerseelentag pilgerten sie stets in die „Alte Heimat“, die von den Nationalsozialisten verniedlichend „Döllersheimer Ländchen“ genannt wurde und gedachten gemeinsam der toten Angehörigen, die dort bestattet sind. Manche Erinnerung wurde dann wieder wach.

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Pfarrkirche und Friedhof von Döllersheim um 1938, Druck aus Marias Büchlein

Meine Eltern haben in der Kirche von Döllersheim 1926 geheiratet. Ich wurde dort getauft und empfing im Jahre 1936 die Erste heilige Kommunion. Im Juni 1937 wurde ich von Bischof Michael Memelauer in dieser Kirche gefirmt. Auf dem Friedhof von Döllersheim sind auch drei meiner Brüder begraben. „Einer ist nur ein halbes Jahr alt geworden. [i] Das war noch, bevor ich in die Schule kam. Der zweite ist ihm mit acht Monaten gefolgt. Der ist gestorben, wie die Eltern bei der Kartoffelernte draußen gewesen sind. Ich hab auf ihn aufgepasst und mit ihm gespielt. Er hat noch ‚gekudert’ vor Lachen, bevor’s ihn auf einmal gebeutelt hat. So schnell, wie ich die Mutter geholt hab, bin ich wahrscheinlich nie mehr in meinem Leben gerannt. Sie hat dann zwar noch den Doktor geholt, der gemeint hat, das seien die ‚Froasn’ und da könne man halt nichts machen. Bis es der Vater mit den Ochsen nach Haus geschafft hat, war’s aber schon zu spät. Auch mein dritter Bruder ist als Kind gestorben, der nur ein Jahr jünger gewesen ist als ich. Plötzlich hat er hohes Fieber gekriegt, nachdem wir in den Regenlacken herumgehüpft sind. Am nächsten Tag hat ihm jeder Knochen wehgetan. Er sagte, es sei, als ob ein „Holzschuh“ auf ihn drauf gefallen wär. Obwohl er mich noch gebeten hat, seinen Platz in der Schule zu reservieren, ist es ihm immer schlechter gegangen. Der hat gespürt, dass es mit ihm zu Ende geht. Plötzlich hat er die Mutter gerufen und gesagt: ‚Muata, i muass sterbn!’ In der Nacht darauf hat sie mich aus dem Schlaf gerissen und gesagt, dass ich ihn ‚pfiatn’ soll. Ich hab überhaupt nicht verstanden, warum, weil ich so verschlafen war. Am Morgen danach ist er schon aufgebahrt gewesen. An dieser geheimnisvollen Krankheit sind noch zwei Schüler in meiner Klasse gestorben. Ein erwachsener Mann in Döllersheim wurde auch krank, der ist aber wieder gesund geworden und hat nachher einen steifen Arm gekriegt. Es war eine richtige Epidemie. Nachher ist in der Zeitung gestanden, dass unsere Familie ein schweres Schicksal erlitten habe, weil meine Eltern innerhalb von vier Jahren drei Söhne verloren hätten.“

 

Nun sind Maria in Döllersheim nur noch die Gräber ihrer Lieben geblieben, die sie jahrelang sorgfältig gepflegt hat, zusammen mit den jungen Freiwilligen aus Franzen, die ein junger Benediktiner aus Seckau dazu bewegen konnte, diesem beschaulichen Gottesacker ein würdiges Aussehen zu verleihen. Einmal schenkte der Mönch Maria sogar sein Jausenbrot, als sie dort jätete. Im Arbeitsanzug der Feuerwehr hatte sie den Ordensbruder, der aus Großglobnitz stammte, zuerst gar nicht erkannt. Die Begegnung wird ihr ewig in Erinnerung bleiben, denn vier Jahre später war der junge Mann tot. Er ist bei einem Motorradunfall verunglückt. Auch sein Sterbebildchen hat Maria in ihr Buch eingeheftet.

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© Katharina Schabauer: Friedhof von Döllersheim heute

 

Der Friedhof von Döllersheim mit seinen schmiedeeisernen Kreuzen, den einheitlichen Fünffingersträuchern auf den Gräbern und den rostigen Blechengeln, die pausbäckig die Toten bewachen, mutet romantisch an. Eine ganz eigene Atmosphäre des Verlassenen, Verblichenen und Verwesten ist hier zu spüren. Mehr als auf anderen Friedhöfen prägt dieser Eindruck die Idylle. Aber der Schein trügt. Es macht sich ein Misston in der harmonischen Stille breit, wenn man daran denkt, dass die Ahnen eines größenwahnsinnigen Tyrannen in dieser Erde ruhen, dessen Schreckensherrschaft einst von einem Nordlicht „eingeleuchtet“ wurde.

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© Gerhard Geisberger: Engel auf dem Döllersheimer Friedhof

 

Manche glauben, dass die seltene Himmelserscheinung am 25. Jänner 1938 ein Zeichen für die nachfolgenden Gräuel des Zweiten Weltkriegs gewesen sei. Maria ist eine fromme Katholikin. Ihr verbietet die Religion, im Nordlicht ein böses Omen zu sehen. 60, mit den Kriegsfolgen gerechnet sogar 80 Millionen Menschen, haben Adolf Hitler und seine Schergen auf dem Gewissen. Wie hoch die Zahl der Opfer auch sein mag: Maria weiß nur, dass ihr dieser Hitler die Heimat und danach die schönsten Jahre gestohlen hat.

Sehen Sie die Protagonistin des Buches “Das Nordlicht von Döllersheim” Maria Geisberger und die Autorin Ilse Krumpöck auf YOUTUBE in einem Video von edition innsalz.

 

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